Klimalügen auf dem Esstisch
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© foodwatch
 
 

Die neue Lüge der Lebensmittel-Industrie: mit ein paar Siegeln die Klimakrise verhindern. Wir haben uns die Klimaschutz-Versprechen der Hersteller angeschaut. Lesen Sie hier über die dreistesten Täuschungen – und was Sie dagegen tun können!

 
 
 
 

Lieber Herr Wiebking,

als in den letzten Jahren immer mehr Schüler:innen am Freitag nicht zur Schule gingen, trugen sie den Protest so nicht nur in Massen auf die Straße. Die Fridays for Future machten die Klimakrise auch zum Thema an den Esstischen ihrer Familien. 

Genau dort, auf diesen Tischen, stehen nun immer mehr Lebensmittel, die vorgeben, das Klima zu schützen. Mildern sie die Klimakrise? Dieser Frage ist foodwatch in einer monatelangen Recherche nachgegangen. Und wir kommen zu einem eindeutigen Urteil: "Klimaneutrale" Milch, "klima-positives" Mineralwasser – solche Versprechen nutzen dem Klima kaum1. Sie sind ein Marketing-Gag. Mit der Angst vor der Klimakrise befeuern die Unternehmen nur ihr Geschäft.

Denn die Industrie hat keineswegs ihr Herz fürs Klima entdeckt. Hersteller schrauben sich nicht etwa massenhaft Solarpaneele aufs Dach, reduzieren ihren LKW-Verkehr. Stattdessen verrechnen Unternehmen ihren Treibhausgas-Ausstoß schlicht mit zwielichtigen Waldschutzprojekten in Südamerika - und fertig ist die Klima-Täuschung.

 
 
 
 
 
Hinter dem Klimaneutral-Label steckt ein Riesenbusiness, von dem alle profitieren – nur nicht der Klimaschutz.
- Rauna Bindewald, foodwatch Klima-Expertin
 
 
 
 

Unsere Enthüllungen haben Aufsehen erregt: Spiegel2  und Deutschlandfunk3 berichteten mit längeren Stücken, die taz4 hob unseren Bericht sogar auf die Titelseite. Diese Aufmerksamkeit könnte uns helfen, die Klima-Täuschung endlich zu verbieten. Denn gerade verhandelt die EU darüber, welche Regeln für Umwelt-Aussagen wie "Klimaneutralität" gelten sollen. Doch momentan sieht es so aus, als könnte ein Verbot von Klima-Täuschung scheitern.

Um das zu verhindern, wollen wir in den nächsten Monaten Aktion an Aktion reihen: die Öffentlichkeit vor falschen Siegeln warnen, täuschende Unternehmen abmahnen – und am Ende die Ampel-Koalition davon überzeugen, sich in Europa für ein Verbot der Klimatäuschung einzusetzen. Wir müssen es mit einer millionenschweren Industrie aufnehmen. Wir können das schaffen - dank Ihrer Unterstützung als foodwatch-Mitglied! Gemeinsam sind wir stark genug, um die Klimatäuschung vom Tisch zu fegen. 

 
 
 
 

Diese besonders dreisten Täuschungen serviert uns die Industrie:

  • Danone bewirbt ausgerechnet Volvic-Mineralwasser als „klimaneutral“, das in Einweg-Plastikflaschen verpackt und zu großen Teilen hunderte Kilometer per LKW aus Frankreich kommt.
  • Hipp vermarktet Babybrei mit Rindfleisch als “klimapositiv”, obwohl Rindfleisch besonders hohe Emissionen verursacht.
  • Granini gleicht für sein Label “CO2 neutral” auf exotischen Fruchtsaft gerade einmal sieben Prozent der Gesamtemissionen aus.
  • Aldi verkauft „klimaneutrale” Milch, ohne genau zu wissen, wie viel CO2 bei der Produktion überhaupt ausgestoßen wird.
  • Gustavo Gusto schmückt sich mit dem Titel „erster klimaneutraler Tiefkühlpizzahersteller Deutschlands“, auch wenn die Pizzen mit Salami und Käse belegt sind – klimaintensiven, tierische Zutaten.

Dabei zeigt sich ein Muster: Die meisten Hersteller investieren kaum in die Reduzierung ihres eigenen CO2-Ausstoßes. Um Produkte als "klimaneutral" zu labeln, kaufen die Hersteller über Siegel-Anbieter CO2-Gutschriften aus vermeintlichen Klimaschutzprojekten. Damit sollen die bei der Produktion anfallenden Treibhausgas-Emissionen lediglich ausgeglichen werden.

Doch der Nutzen vieler Klimaschutzprojeke ist fragwürdig: Laut einer Studie des Öko-Instituts halten nur zwei Prozent der untersuchten Projekte ihre versprochene Klimaschutzwirkung „sehr wahrscheinlich“ ein5. foodwatch-Recherchen zu Projekten in Peru und Uruguay belegen, dass selbst zertifizierte Projekte eklatante Mängel aufweisen. Eine Plastikflasche Mineralwasser wird dadurch keinen Deut klimafreundlicher.

foodwatch hat aufgedeckt, wer an diesem Business mit dem Klima verdient: Eins der “Klimaschutz”-Projekte hat laut unseren Schätzungen mehr als 55 Millionen US-Dollar eingenommen. Das ist viel Geld – für heiße Luft. Denn das Projekt hält nicht, was es verspricht. Trotzdem kauften Rewe, dm und Wiesenhof sich mit diesem Projekt frei und rechneten sich "klimaneutral".

Ich finde: Diese Klimalügen dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Solche monatelangen Untersuchungen können wir uns aber nur leisten, weil Verbraucher:innen wie Sie uns unterstützen. Als foodwatch-Mitglied ermöglichen Sie uns weitere tiefgründige Recherchen. Wir decken auf, wie sich die Industrie grün rechnet und streiten gemeinsam mit Ihnen für ein Verbot irreführender Klimasiegel – und für echten Klimaschutz in der Lebensmittelindustrie. 

 
 
 
 
 
 
 

Vielen Dank und herzliche Grüße

Dr. Chris Methmann
Geschäftsführer foodwatch Deutschland

 
 
 
 

P.S.: Die große Gefahr an dieser Masche: Viele Verbraucher:innen glauben der irreführenden Werbung und halten den Inhalt ihres Einkaufskorbs für klimafreundlich. Und die Industrie kann sich so aus ihrer Klimaverantwortung stehlen. Dabei ist der Lebensmittel-Sektor für ein Drittel der Emissionen in Deutschland verantwortlich6. Lassen wir die Konzerne damit nicht davonkommen!

 
 
 
 

Quellen
[1] “Der große Klima-Fake - Wie Konzerne uns mit Greenwashing täuschen und so die Klimakrise verschärfen”, foodwatch-Report, 24. November 2022
[2] “Was Lebensmittelfirmen als »klimaneutral« bezeichnen”, S‍piegel.‍de, 24. November 2022
[3] “Verbraucherschützer warnen vor irreführender Werbung”, Deutschlandfunk, 24. November 2022, 11:47 Uhr
[4] “Große Kunst: klimaneutral leben”, die tageszeitung, 25. November 2022, S. 1
[5] “How additional is the Clean Development Mechanism?”, Öko-Institut, 2016
[6] “Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands”, Stiftung Klimaschutz 2021, S. 2.

 
 

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